Naturmedizin in China: Wenn sich Bären nach dem Tod sehnen

Eingepfercht in einen winzigen Käfig, mit einem "Zapfhahn" im Bauch, der tief in den Eingeweiden steckt. Eine unvorstellbare Foltermethode, mit der in Asien noch immer "Bären-Medizin" gewonnen wird.


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Das filzige, verlauste Bündel füllt den kleinen Eisenkäfig fast vollständig aus. Fell, das zwischen den Stäben nach außen quillt, leblos wie eine zusammengerollte, tote Kamin-Trophäe. Erst bei näherem Hinsehen im Licht der schwachen Glühbirne hebt und senkt sich die dunkle Masse, ein atmendes Etwas, das mit den rostigen Gittern beinahe verwachsen zu sein scheint.

Als Jill Robinson auf die andere Seite des Käfigs im düsteren Keller der Bärenfarm im chinesischen Sezchuan geht und das Elend vor ihr sieht, breitet sich schlagartig ein Gefühl in ihrer Magengrube aus, das sie bis heute, zehn Jahre danach, nicht mehr loslässt. Da verreckt, da verendet, da verwest beinahe schon bei lebendigem Leib eine Kreatur, der man aus Profitsucht vor Jahren ein 15 Zentimeter langes Metallrohr durch die Bauchdecke an der Leber vorbei bis zur Gallenblase getrieben und dort mit einem Wollfaden vernäht hat.


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Das Metall ist inzwischen rostig, die Wunde offen, mit eingewachsenen Haaren, sie eitert. Die Sohlen des Tiers sind wund, die Haut aufgeplatzt und entzündet durch den Dauerkontakt mit den Gittern. Und die Zähne, die es sich nicht schon vor Jahren aus Verzweiflung und Agonie an den Stäben ausgebissen hat, wurden einfach bis zum Gaumen abgeschliffen. – Damit der Besitzer von Panikbissen verschont bleibt, wenn er zweimal am Tag den Baumwollpfropfen aus dem Bauch-Katheter herauszieht, um etwa hundert Milliliter frischen, braunen Gallensaft in eine Schale laufen zu lassen.

Der Bär gibt keinen Muckser von sich, als Jill sich dem Käfig nähert, verfolgt nur mit stumpfem Blick jede ihrer Bewegungen. Seine linke Vorderpfote fehlt, abgerissen vom Fangeisen, mit dem ihn die Menschen als Junges in ihre Gewalt brachten.

Menschen, das sieht man den klugen, braunen Augen an, die beinahe bis in die Seele blicken lassen, bedeuten für ihn nichts anderes als Schmerz und Qual und Angst, bestenfalls eine Mahlzeit aus Essensresten. Und dann wieder nichts als Schmerzen.


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Der halbtote, anonyme Bär von damals hat heute einen Namen. Andy heißt er. Und er lebt in einem Freigehege als Botschafter und Herzeigefall für seine noch immer misshandelten Artgenossen. Andy ist das erste Tier, das die Engländerin Jill Robinson aus diesem lebendigen Alptraum befreite, ihm in einer fünfstündigen Operation den Galle-Zapfhahn aus dem Bauch entfernen ließ, die infizierten Verletzungen behandelte und aus ihm mit Geduld und Muskeltherapie wieder einen ansehnlichen Vertreter seiner vom Aussterben bedrohten Sippe machte.

Andy ist ein Mondbär, ein Ursus selenarctos. Er heißt so, weil er auf der Brust einen hübschen, sichelförmigen, weißen Pelzkragen trägt. Und noch etwas ist an ihm besonders, sodass er und seine Familie seit 3000 Jahren im asiatischen Raum gejagt werden und bis heute fixe "Zutat" traditioneller chinesischer Medizin sind: Mondbären-Gallensaft enthält eine besonders hohe Dosis UrsoDesoxyChol-Säure (UDCS), eine Substanz, die nachweislich bei Lebererkrankungen hilft, die Blutfettwerte herabsetzt, Fieber senkt und angeblich noch gegen Husten, Hämorriden und Sehschwäche wirken soll.

Das Verrückte: Seit den 50er Jahren lässt sich die Säure künstlich herstellen. Und was die Wirkung betrifft, so gibt es auch in der chinesischen Medizin genügend Kräuter, die das Mittel effizient ersetzen können.


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Trotzdem wird für echte Mondbär-Galle heute noch ein Vermögen bezahlt, weil sie eben die "Urkraft des Bären" enthält, an die ein künstliches Produkt nach Meinung vieler Asiaten (darunter auch Ärzte) nie herankommt. Rund 10.000 Euro, heißt es, werden in Südkorea für das unversehrte, nur etwa 50 Gramm schwere Organ bezahlt.

Ein Kilo getrocknetes Bärengallen-Pulver ist auf dem Markt in China derzeit zwischen 500 und 1000 Dollar zu haben. Bei den niedrigen Löhnen ein gutes Geschäft, da ein einzelner Bär pro Jahr etwa zwei Kilo Gallenpulver abwirft. Und das ist, zumindest in China, ganz legal. Denn für Bärenfarmen wurden dort noch bis vor ein paar Jahren von der Regierung offiziell Lizenzen vergeben, weil man meinte, man täte der Natur etwas Gutes, indem man mit der 1980 entwickelten Melkmethode den Bärenbestand erhalte, statt die Tiere wie bisher nur für ihre "goldene Galle" zu töten. Das Gegenteil geschah: Die dadurch erreichten Preissenkungen verursachten eine derartige Nachfrage, dass die Tiere nun erst recht gejagt werden. Besonders in den USA und Kanada, wo viele asiatische Auswanderer bis heute die Bräuche ihrer Vorfahren pflegen, ist das Interesse an Bärengallen-Produkten groß.


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Als vor zwei Jahren erstmals über die schockierende Situation der Bären in Asien berichtete und viele unserer Leser zur Rettung der Mondbären mit ihren Spenden beitrugen, begann Jill Robinson mit ihrer Hilfsorganisation "Animals Asia" gerade, ein Freigehege für die ersten geretteten Tiere in einem Waldgebiet in der Provinz Sezchuan aufzubauen, denn die Bären können sich in freier Wildbahn nicht mehr selbst erhalten. Damals gab es von der chinesischen Regierung erste Zugeständnisse, die Bärenfolter einzudämmen, und die engagierte Tierschützerin bekam die schriftliche Zusage, 500 Bären aus den schlimmsten Farmen des Landes retten zu dürfen.

99 Tiere sind bis heute befreit worden. 14 starben, die anderen 85 konnten gesund gepflegt werden. Erste Früchte einer langen, schwierigen und leider auch kostspieligen Arbeit. Denn es gibt keine andere Möglichkeit, als die Bauern, denen die Bärenlizenz abgenommen wird, zu entschädigen. Und man schätzt die Anzahl der in Käfigen vegetierenden "Gallen-Bären" allein in China noch immer auf 7000 Stück. Ein hoffnungsloses Unterfangen für das 50-köpfige Team und seine 45-jährige Chefin?


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"Nein", sagt Jill, die eigentlich auf Job-Suche nach Hongkong kam und erstmals zufällig bei einem Touristenausflug ein solches Bären-Konzentrationslager entdeckte. "Eine sehr schöne und dankbare Arbeit: Diese Bären werden viele Jahre lang von Menschen misshandelt, verstümmelt und gequält. Sie lernen jahrelang uns zu meiden, zu fürchten und zu hassen. Und trotzdem, zurück in ,Freiheit', fasst jedes dieser intelligenten Tiere wieder Mut, gewinnt seinen Lebenswillen und seinen Spieltrieb zurück und schafft es irgendwie, dem Menschen, der sein Feind war, wieder zu vertrauen. Das ist eine Grundlektion in der von uns so viel strapazierten so genannten ,Menschlichkeit', bei der mir die Tränen kommen, weil ich mich als Mensch so schäme für das, was hier aufgrund verschobener Moralwerte verbrochen wird."


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"Was mich manchmal wirklich frustriert, das sind Fälle wie der einer Bärin, die wir vor ein paar Monaten von einer Farm bekommen haben und die kurz danach mit Eiterherden im ganzen Körper an Blutvergiftung gestorben ist. Wir konnten ihr nicht mehr helfen. Als wir nachher bei der Obduktion sahen, wie zerstört ihre Organe schon waren, schien es unglaublich, dass sie so lange überlebt hatte. Ich hätte mir so gewünscht, dass sie wenigstens noch ein paar Tage Sonnenlicht nach all den Jahren Qual hätte genießen können. Aber wahrscheinlich hat sie sich den Tod herbeigesehnt."


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Indessen geht der Kampf gegen die Bärenfolterer in neuen Dimensionen weiter: In Vietnam und Südkorea halten sich viele Durchschnittsbürger inzwischen im Keller den einen oder anderen Bären als Bio-Müllschlucker und lukrative, obwohl illegale Nebenerwerbsquelle, weil die Gallensäure immer mehr in Mode kommt. Und kürzlich wurde auch noch eine "bärenfreundliche" Zapf-Methode entwickelt, bei der die Gallenblase des Tieres direkt zu einem Loch in der Magenwand nach vorne geangelt wird und so fortan ohne Metallrohr ihren kostbaren Saft in eine Schüssel tropfen kann. Die Wunde wird dann jedes Mal mit einer Membran abgeklebt, die bei jedem neuerlichen Melken einfach nur durchstochen werden muss...

 

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